Pflegeversicherung in der Krise: Was bedeutet die angespannte Lage für Pflegebedürftige?
Medienberichten zufolge steckt die Pflegeversicherung in einer ernsthaften Krise. Den gesetzlich Versicherten könnte zudem die größte Beitragserhöhung seit über 20 Jahren drohen.
Die finanzielle Lage der gesetzlichen Pflegeversicherung scheint deutlich prekärer zu sein als bisher angenommen, wie aus einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) hervorgeht. Laut Informationen aus Regierungskreisen arbeite man bereits intensiv an einer Notfallstrategie, denn ohne rechtzeitige Maßnahmen könne die Pflegeversicherung spätestens im kommenden Februar zahlungsunfähig sein. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) widersprach dem Bericht in einem Pressestatement vehement: „Die Pflegeversicherung ist nicht insolvent, ihr droht auch nicht die Insolvenz.“ Lauterbach gestand jedoch ein, dass die Pflegeversicherung derzeit finanziell erheblich unter Druck steht: „Wir haben eine Schwäche bei den Einnahmen und hohe Ausgaben.“
Ein Sprecher des Ministeriums kündigte an, dass in Kürze ein Plan zur Stabilisierung der finanziell angeschlagenen Pflegeversicherung vorgestellt wird. Lauterbach betonte, die Bundesregierung bürge dafür, dass Pflegebedürftige und Angehörige sich auch in Zukunft darauf verlassen können, dass die Pflegeversicherung für die Versorgung bezahlt und für die Leistungen aufkommt.
Drohen noch stärkere Beitragserhöhungen als geplant?
Die Pflegekassen erwarten für das laufende Jahr ein Defizit von 1,5 Milliarden Euro in der Pflegeversicherung. Der Sprecher des Gesundheitsministers betonte, dieser habe in jüngerer Vergangenheit mehrfach hervorgehoben, dass die Pflegeversicherung sowohl kurz- als auch langfristig vor erheblichen Herausforderungen steht. „Das hat im Wesentlichen drei Gründe: Mit der jüngsten Pflegereform haben wir die Pflegebedürftigen in Heimen erheblich entlastet, Pflegekräfte bekommen höhere Löhne, und es gibt mehr Pflegebedürftige als angenommen“, so der Sprecher.
Zusätzlich wird für das kommende Jahr mit einem Fehlbetrag von 3,4 Milliarden Euro gerechnet. Um diese Defizite auszugleichen, schätzten die Kassen die notwendige Beitragserhöhung bisher auf 0,2 Prozent. Die Regierung geht jedoch von einem stärkeren Erhöhungsbedarf von 0,25 bis 0,3 Prozentpunkten aus. Swen Dreßen, Experte für „Barrierefreies Wohnen“ bei Aroundhome, kommentiert die finanzielle Lage:
„Das Finanzloch in der Pflegeversicherung für 2024 und die Prognosen für die kommenden Jahre sind hinlänglich bekannt – und gleichzeitig erschreckend. Eine wachsende Anzahl an Pflegebedürftigen und höhere Kosten pro Pflegebedürftigem sorgen im System für steigende notwendige Finanzmittel. Alleine Beitragserhöhungen für die Pflege- und Krankenversicherung werden das System langfristig aber nicht stabilisieren können.“
Neue Pflegereform in Aussicht
Angesichts der angespannten finanziellen Situation hat Lauterbach eine weitere Pflegereform angekündigt. Bereits Ende August hatte er weitere Beitragssteigerungen in der Kranken- und Pflegeversicherung für 2025 in Aussicht gestellt. Eine erste Reform wurde bereits von der Koalition umgesetzt. Sie führte zu Entlastungen für Pflegebedürftige bei Eigenanteilen, aber auch zu einem höheren Beitrag: Für Personen ohne Kinder stieg er Mitte 2023 auf 4 Prozent und für Beitragszahler:innen mit einem Kind auf 3,4 Prozent. Familien mit mindestens zwei Kindern zahlen – bezogen auf den Arbeitnehmeranteil – nun weniger als zuvor. Dreßen merkt an: „Die Pläne zur neuen Reform werden mit großer Spannung erwartet. Gerade Pflegebedürftige, Senior:innen und Beitragszahlende sind bis dahin mit großer Unsicherheit konfrontiert.“