Zinssenkung
Die EZB senkt den Leitzins auf 4,25 Prozent. Expert:innen aus der Immobilienbranche sehen nun einen guten Zeitpunkt für den Immobilienkauf.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat gestern erstmals seit langem eine Leitzinssenkung um 0,25 Prozentpunkte vorgenommen. Die damit eingeleitete Zinswende wird sich auch auf den Immobilienmarkt auswirken. Drei Experten:innen haben gegenüber Business Insider erklärt, warum jetzt der ideale Zeitpunkt für einen Immobilienkauf ist.
Michael Neumann, Zinsexperte beim Finanzvermittler Dr. Klein, zeigte sich zunächst zurückhaltend hinsichtlich der künftigen Zinsentwicklung. Er erwarte nicht, dass die EZB den Leitzins in jeder ihrer kommenden Sitzungen senken werde, äußerte er sich gegenüber Business Insider. Er geht davon aus, dass die EZB in den kommenden Monaten Zinssenkungspausen einlegt, um die wirtschaftlichen Entwicklungen zu beobachten, und ihre Entscheidungen anschließend auf Basis neuer Daten trifft.
Für Privatanleger:innen, die eine Immobilie kaufen möchten, sei der gestrige Tag weniger entscheidend, so Neumann. Dennoch sei jetzt der beste Zeitpunkt für einen Kauf, da die Immobilienpreise in den nächsten 12 bis 18 Monaten steigen könnten. „Der Spielraum für Rückgänge bei den Baufinanzierungszinsen ist gering, selbst wenn die EZB weitere Senkungen durchführt", fügte er hinzu.
Janina Ellen Sari, Chief Banking Officer der Immobilien-Plattform Urbyo, bezeichnet die jetzige Zeit ebenfalls als ideal. Anders als Neumann rechnet Sari mit kontinuierlichen Leitzinssenkungen der EZB, allerdings rät sie, nicht auf niedrigere Zinsen zu warten, sondern die aktuellen Verhandlungsspielräume zu nutzen. Käufer:innen könnten derzeit Preisreduzierungen von 30 bis 40 Prozent durchsetzen, da viele Verkaufswillige unter Verkaufsdruck stünden. Sie empfiehlt daher eine Festlegung der Finanzierung auf zwei bis drei Jahre und eine darauffolgende Anschlussfinanzierung. „Die Zinsen werden fallen und fallen. Bis 2025 werden wir uns in einer Zinswende bewegen. Dann hat man nicht mehr die Möglichkeiten, Preise zu verhandeln“, erklärt Sari.
Felix Jahn, Gründer und Geschäftsführer von McMakler, sieht ebenfalls jetzt einen günstigen Zeitpunkt für Immobilienkäufe, besonders für Käufer:innen mit Eigenkapital. „Die Preise sind 17 Prozent heruntergegangen. Das spiegelt sich in der monatlichen Rate zwar nicht vollständig im Zinsanstieg wider, aber die Objekte sind jetzt verfügbar,“ so Jahn. Er geht davon aus, dass die Immobilienpreise in den großen Städten in den kommenden Jahren steigen werden. Ursächlich hierfür sei das geringe Neubauangebot.
Neumann ergänzt, dass die Erwartungen an die Zinswende bereits in aktuellen Preisen und Finanzierungen eingepreist sind. „Daher werden die laufenden Bauzinsen nicht weiter sinken, auch wenn die EZB die Zinsen senkt. Die Bauzinsen werden seitwärts verlaufen“, erklärte er. Es gebe keinen Grund, auf günstigere Bauzinsen zu warten.
Ebenfalls zeigten die Immobilienpreise nach ihrem Sinkflug seit 2022 mittlerweile Anzeichen einer Stabilisierung. Auch dort entwickelt sich laut Neumann eine Seitwärtsbewegung. Er rechnet jedoch mit einem zukünftigen Anstieg der Preise.
Durch steigende Mietpreise und einen Rückgang der Neubautätigkeit wird der Druck auf den Immobilienmarkt laut Neumann zunehmen. „Der Druck im Mietmarkt wird größer. Und es gibt keine Entlastung durch eine anziehende Neubautätigkeit“, erklärt er. Gleichzeitig gingen die Neubauzahlen, Baugenehmigungen und Bauanträge dramatisch zurück. Das Angebot verknappe sich dadurch und die Preise würden perspektivisch in die Höhe getrieben. Diese Entwicklungen stünden zwar nicht in direktem Zusammenhang mit der Leitzinssenkung der EZB, müssten aber im Gesamtbild betrachtet werden.
Ein umfassender Blick auf die Situation helfe zudem, klare Entscheidungen bezüglich der Zinsbindung zu treffen, so Neumann. In den letzten Jahren seien längere Zinsbindungen von 15, 20 bis hin zu 40 Jahren zunehmend beliebt geworden. „Momentan ist die Situation so, dass die Konditionen für zehnjährige Zinsbindungen niedriger sind als für fünfjährige“, erläuterte er. Dies spiegele sich auch in der Zinsstruktur wider, bei der kurzfristige Zinsen höher seien als langfristige.
Neumann betonte, dass die Zinswende die verschiedenen Laufzeiten beeinflussen werde. Während die Leitzinssenkung der EZB vor allem auf die kurzen Laufzeiten einwirke, führe sie dazu, dass kurzfristige Zinsen sinken und sich den langfristigen annäherten.