Pflegebedarf explodiert: Zahl der Betroffenen fast verdoppelt
Von 2015 bis 2023 hat sich die Zahl der Pflegebedürftigen fast verdoppelt. Einer der Hauptgründe könnte die Pflegereform aus dem Jahr 2017 sein.
Die Zahl der Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, hat sich von 2015 bis 2023 fast verdoppelt: Laut dem Barmer-Pflegereport 2025 stieg sie innerhalb dieses Zeitraums von 3,0 auf 5,7 Millionen. Damit war im Jahr 2023 etwa jede fünfzehnte Person in Deutschland pflegebedürftig.
Pflegereform von 2017 als Hauptgrund für Anstieg
Laut Analyse lässt sich der starke Zuwachs nur zu etwa 15 Prozent durch die demografische Entwicklung erklären. Auch die allgemeine Krankheitslast reiche als Erklärung nicht aus. Als wesentlichen Treiber identifizierte die Barmer vielmehr die Pflegereform von 2017, bei der das System von Pflegestufen auf Pflegegrade umgestellt wurde.
Barmer-Vorstandschef Christoph Straub betonte, dass die Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs zu einer Ausweitung der Leistungen geführt habe. Diese Einschätzung bestätigte auch Studienautor Heinz Rothgang von der Universität Bremen: „Durch die leichtere Inanspruchnahme von Pflegeleistungen wurden immer mehr Menschen als pflegebedürftig anerkannt und haben frühzeitig Unterstützung erhalten.“
Mehr Pflegebedürftige in allen Krankheitsgruppen
Der Report belegt dies anhand von Analysen zu 6 akuten und 6 chronischen Erkrankungen, darunter Krebs, Schlaganfall, Demenz, Parkinson und Herzschwäche. Bei allen Erkrankungen stieg der Anteil der Pflegebedürftigen deutlich.
So waren 2017 etwa 11,4 Prozent der an Krebs Erkrankten pflegebedürftig, 2023 bereits 20 Prozent. Bei Demenz stieg der Anteil von 68,1 auf 78,5 Prozent. Auch bei neu hinzukommenden Pflegebedürftigen zeigte sich ein Zuwachs über nahezu alle Krankheitsgruppen hinweg.
„Der starke Anstieg macht ebenfalls deutlich, wie groß der Bedarf an barrierefreien Wohnlösungen und Unterstützung ist“, kommentiert Swen Dreßen, Experte für „Barrierefreies Wohnen“ bei Aroundhome. „Auch wenn die Reform von 2017 den Zugang erleichtert hat, sprechen fast sechs Millionen Betroffene eine klare Sprache – und vermutlich gibt es noch viele, die Anspruch hätten, aber bislang keinen Pflegegrad beantragt haben.“
Experten sehen Reformbedarf und Notwendigkeit von Unterstützung
Angesichts der steigenden Zahlen fordert Barmer-Chef Straub die Reformierung und finanzielle Stabilisierung der Pflegeversicherung: „Die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler dürfen nicht noch stärker belastet werden.“ Eine von der Gesundheitsministerkonferenz einberufene Bund-Länder-Arbeitsgruppe arbeitet derzeit an einer Pflegereform, deren Eckpunkte noch in diesem Jahr vorgestellt werden sollen.
Auch abseits von Reformen sind praktische Hilfen für Betroffene entscheidend: „Viele Menschen mit Pflegegrad wissen gar nicht, welche Zuschüsse und Unterstützungsangebote ihnen zustehen“, sagt Dreßen. „Dabei sind diese Hilfen entscheidend, um Mobilität und Selbstständigkeit möglichst lange zu erhalten. Ob Badumbau, Schwellenabbau oder Liftlösungen – frühzeitige Anpassungen schaffen Sicherheit und ermöglichen ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden.“