Wertlos? Möbel im Zeichen der Wegwerfkultur
Möbel sind für viele Wegwerfware. Möglichst billig, schnell zu bekommen und ebenso schnell wieder zu entsorgen, sollen sie sein. Wo liegen die Probleme bei dieser Denkweise?
Möbel sind für viele Wegwerfware. Möglichst billig, schnell zu bekommen und ebenso schnell wieder zu entsorgen, sollen sie sein. Wo liegen die Probleme bei dieser Denkweise?
Es soll kaum etwas kosten, es muss sofort verfügbar sein und wenn es nicht mehr gefällt, wird es eben weggeworfen. Oder mit einem „Zu verschenken“-Schild auf die Straße gestellt – Müllentsorgung in Großstadt-Manier. Das ist keine Denkweise, die nur Studenten haben. Der schnelle Konsum ist überall. Ist eben ein Zeichen der Zeit.
Aber leben wir nicht auch in Zeiten, in denen der Umweltschutz großgeschrieben wird und alles ökologisch nachhaltig sein soll? Dafür sprechen sich natürlich alle aus, aber der biozidbelastete Teppich aus Asien und der chemisch behandelte Sperrholz-Schrank sollen es dann bitte doch sein. Es ist eben nicht so einfach, das, was man sagt, auch wirklich zu leben.
Sicher, ich hätte auch gerne direkt nach meinem Umzug eine fertig eingerichtete Wohnung gehabt. Aber deswegen komme ich noch lange nicht auf die Idee, mir Wegwerfmöbel zu kaufen, die ich dann zeitgleich mit der ersten Gehaltserhöhung entsorge und gegen neue eintausche. Dann wohne ich eben ein paar Monate nur mit halber Einrichtung und vervollständige sie nach und nach. Dafür habe ich dann aber auch Möbel, die gut verarbeitet sind und nicht beim ersten Windstoß zusammenbrechen oder Giftgase verströmen.
Ohnehin dürfte jedem klar sein, dass Möbel zu Spottpreisen nicht einfach vom Himmel fallen, sondern dass es einen Grund gibt, warum sie so billig sind. Das Zauberwort ist natürlich „Auslandsproduktion“. Das ist an sich weder neu noch besonders anstößig. Nur sollte es eigentlich selbstverständlich sein, dass auch im Ausland darauf geachtet wird, anständige Arbeitsbedingungen zu schaffen und faire Löhne zu zahlen. Ist es aber nicht. Selbst wenn das von den Zulieferern offiziell erwartet wird, so ist die Kontrolle doch schwierig. Pakistan, Bangladesch, China, Mexiko und Weißrussland sind nur einige der Produktionsländer von Möbeldiscountern. Die Probleme, die damit einhergehen, sind allgemein bekannt.
Mir geht es überhaupt nicht darum, meine Wohnung mit irgendwelchen barocken Einzelstücken auszustatten. Und ich finde auch nicht, dass jeder sich seine Möbel aus Treibholz selbst bauen sollte. Aber auf der anderen Seite ist es mein persönlicher Albtraum, in eine Wohnung zu kommen, die aussieht als wäre ich in einen Möbelkatalog gefallen.
Was kann ich noch glauben, über jemanden zu wissen, der in einer augenscheinlich perfekten, sterilen Wohnung leben will? Diese Person hat sich immerhin aktiv dazu entschlossen, sich einen Mikrokosmos in den eigenen vier Wänden zu schaffen, der genau so in tausenden anderen Wohnungen existiert. Vielleicht ist es ja der Nestbautrieb, der Menschen zu solchen Taten bewegt. Mit Individualität hat das jedenfalls wirklich nichts zu tun.
Die Art wie wir wohnen zeigt doch aber immer auch ein bisschen, wer wir sind. Das soll nicht heißen, dass mein Glastisch meine Persönlichkeit definiert. Aber es würde ja auch keiner leugnen, dass es etwas über mich aussagen würde, wenn ich mir meine Couch mit Zebrafell bespannen lasse.
Man könnte die Sache auch aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Vielleicht bezieht sich unsere allgegenwärtige Bindungsangst ja einfach auch auf unsere Möbel. Es ist doch alles so schnelllebig. Was, wenn Möbelstück XY die Facetten meiner Persönlichkeit in zwei Monaten nicht mehr zufriedenstellend abbildet? Immerhin muss man sich doch ständig neu erfinden. Da ist es nur gut, dass Billigmöbel vom Discounter um die Ecke keinen einzigen Umzug überstehen ohne auseinanderzufallen. Next, Please!
Statt im Jahrestakt auf einen allumfassenden Selbstfindungstrip zu gehen, wäre es aber vielleicht irgendwann an der Zeit, sich festzulegen. Wenn ich weiß, wer ich bin, warum sollte ich dann nicht auch wissen, wie ich wohnen will?
Jetzt will ich nicht behaupten, dass jeder seine Möbel ohne mit der Wimper zu zucken wegwerfen würde, nur weil sie aus einem Discounter kommen. Und sicherlich sind diese Möbeldiscounter auch nicht alleine der Kern der Wegwerfkultur, aber mir reicht es schon, dass sie sie fördern.
Meine Möbel kommen jedenfalls aus einem Geschäft, das es tatsächlich nur in meinem Heimatort gibt. Ich habe mich bewusst für sie entschieden, und auf die Anschaffung gespart. Da hat man doch gleich eine ganz andere Bindung. Ich weiß, dass ich dort Qualität bekomme und einen regionalen Anbieter unterstütze, der unter fairen Bedingungen produzieren lässt. Und das ist mir wichtiger als ein Wegwerf-Schnäppchen.